21.10.2021

Emotionsmanagement: So benennst und regulierst Du Deine Gefühle

Der bewusste Umgang mit Gefühlen macht uns resilienter. Er senkt das psychische sowie physische Stresslevel und erhöht unsere Problemlösungskompetenz. Erfahre mehr über die Entstehung und Funktion von Gefühlen und wie Du sie erfolgreich regulierst:

Inhalt: Entstehung & Funktion von Emotionen | Stressreduktion durch Emotionsmanagement | Gefühle benennen & regulieren – so geht`s

Emotionen – Entstehung und Funktion 

Gefühle sind komplexe Gemütsregungen. Sie entstehen aufgrund unserer Einschätzung von Situationen, also auf Basis unserer Gedanken. Sie dienen dazu, Handlungen vorzubereiten. Die Art und Weise, wie wir eine Situation oder Beziehung wahrnehmen und bewerten, beeinflusst also massgeblich, welche Gefühle wir dazu entwickeln. Letztendlich prägen wir mit unseren Emotionen unser tatsächliches Verhalten. Folglich lohnt es sich, Gefühle bewusst wahrzunehmen und auf gesunde Weise zu regulieren. So erhalten und erweitern wir die eigene Handlungsfähigkeit.
Bei der Entstehung von Emotionen spielt das limbische System eine wichtige Rolle. Es besteht aus entwicklungsgeschichtlich alten, sogenannten primitiven Arealen unseres Gehirns, die das vegetative Nervensystem sowie die Ausschüttung von Stresshormonen beeinflussen. Allerdings untersteht es nicht dem Bewusstsein. Das heisst, es lässt Emotionen entstehen, hilft aber nicht wirklich bei deren Verarbeitung. Um eine Emotion nicht nur als Reiz wahrzunehmen, sondern ihr bewusst ein Gefühl zuzuordnen, müssen jüngere, sogenannte logische Hirnareale wie der präfrontale Cortex aktiviert sein. Dieser wirkt regulierend auf die Aktivität primitiver Gehirnareale ein.

Stress abbauen durch Emotionsmanagement

Wie schaffen wir es, in emotional herausfordernden Situationen das logische Gehirn zu aktivieren? Eigentlich ist es simpel: Es reicht aus, Gefühle bewusst wahrzunehmen und sie zu benennen. Das logische Hirn kann dann „verstehen“, wird dadurch aktiv und hilft so primitiven Hirnarealen, sich zu beruhigen. Unbewusste emotionale Reaktionen werden gebremst, die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol sinkt.
Deine Gefühle weisen Dich darauf hin, wie Du in einer Situation adäquat handeln kannst. Wenn Du ein Gefühl klar benennst, zeigt sich das dahinterliegende Bedürfnis und Du hast eine klare Handlungstendenz. Du bleibst handlungsfähig und verhinderst übermässige Stressreaktionen, physisch wie psychisch. Konkret kannst Du Dir das so vorstellen:
Eine Person fährt mit dem Auto zu einem Geschäftstermin und gerät in einen Stau. Ihr vegetatives Nervensystem reagiert mit einer erhöhten Herzfrequenz, die Atmung wird flacher und schneller. Es werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, sie fühlt sich nervös und angespannt.
Was passiert, wenn es ihr nun gelingt, ihre Gefühle zu benennen? Sie aktiviert das logische Denken und bremst ihre emotionale Reaktion. Die Person erkennt, dass sie frustriert ist, weil sie wider besseres Wissen mit dem Auto anstelle des Busses gefahren ist. Zudem hat sie Angst, sich zu verspäten und dadurch unprofessionell zu wirken. Indem sie die Frustration und Angst benennt, schafft sie ein konkretes Objekt, mit dem sie sich auseinandersetzt. Damit aktiviert sie ihr logisches Denken, das limbische System wird beruhigt, das vegetative Nervensystem kommt zur Ruhe.
An der Tatsache, dass sie im Stau steht, hat sich nichts geändert. Allerdings ist sie ihren Emotionen nicht mehr ausgeliefert. Anstatt fahrig im Auto zu sitzen, sich in Selbstvorwürfen zu verlieren und ihr Stresslevel weiter zu steigern, löst sie das Problem bestmöglich. Sie entspannt sich zunehmend, informiert ihre Geschäftspartner*innen über eine allfällige Verspätung und geht wichtige Inhalte des Termins gedanklich nochmals durch.

Gefühle benennen und regulieren: So gehst Du vor

  • Benenne Deine Gefühle regelmässig
    In meiner Praxis stelle ich immer wieder fest, dass es Klient*innen schwerfällt, ihre Gefühle zu benennen. Sehr häufig sind sie es schlicht nicht gewohnt, ihren Gemütsregungen einen Namen zu geben. Sie haben wenig Routine darin «hinzuspüren», wie sich etwas anfühlt. Dies lässt sich jedoch trainieren:
    Nimm Dir jeden Tag einen Moment Zeit, um Dich an eine konkrete, vergangene Situation zu erinnern. Benenne drei Gefühle, die Du in dieser Situation empfunden hast und überlege, aus welchem Grund sie auftraten. Dadurch machst Du Dir Deine Bedürfnisse in der jeweiligen Situation bewusst. Mit etwas Übung lernst Du, während akut emotional herausfordernden Situationen auf Deine Bedürfnisse zu achten und Deine Gefühle angemessen zu regulieren. Du erhöhst so Deine Problemlösefähigkeiten, wirst stresstoleranter und steigerst letztlich Deine Resilienz. 
  • Unterscheide klar zwischen Gefühlen, Gedanken und Körperwahrnehmungen
    Du beantwortest die Frage, wie Du Dich fühlst mit «müde»? Dies ist eine Körperwahrnehmung. Gehe einen Schritt weiter und identifiziere das Gefühl dahinter. Fühlst Du Dich überfordert, resigniert oder leer?
    Benenne nur das Gefühl, ohne in die Beschreibung oder Analyse der Situation zu gehen, in der es auftrat. Ziel ist es, die Emotion zu regulieren und handlungsfähig(er) zu werden. Das erreichst Du nicht, indem Du die Situation beschreibst oder beurteilst, sondern indem Du Dein vegetatives Nervensystem beruhigst und das Bedürfnis hinter dem Gefühl identifizierst.
  • Erweitere Dein Gefühls-Vokabular
    «Wie fühlst Du Dich?» «Gut.» Wer kennt diesen Klassiker nicht? Allerdings umschreibt «gut» kein Gefühl, sondern das Symptom eines Gefühls. Das gilt z.B. auch für „schlecht“, „traurig“ oder „wütend“. Mache Dir die Mühe, echte Emotionen zu benennen: Inwiefern fühlst Du Dich schlecht? Bist Du überfordert, enttäuscht, verletzt? Meist lassen sich unter einem Symptom-Gefühl mehrere spezifische Gefühle ausmachen.

    Hier eine Liste von Gefühlen als Anregung:
akzeptiert
amüsiert
aufgeregt
befriedigt
berührt
dankbar
erleichtert
erstaunt
frei
freudig
friedlich
geliebt /beliebt
gebraucht
geschätzt
glücklich
grosszügig
hilfreich
inspiriert
klug
kreativ
liebevoll
mutig
neugierig
optimistisch
präsent
respektiert
respektvoll
spielerisch
stolz
stark
verliebt
wagemutig
zufrieden
zuversichtlich
aggressiv
angeekelt
ausgeschlossen
bedauernd
beschämt
besorgt
eifersüchtig
einsam
enttäuscht
erschrocken
frustriert
gedemütigt
gelangweilt
genervt
hässlich
hilflos
hoffnungslos
irritiert
klein
minderwertig
missbraucht
ohnmächtig
resigniert
schuldig
traurig
überlastet
ungeliebt
unreflektiert
unsicher
unter Druck
verachtet
verlassen 
verwirrt
verzweifelt
  • Gefühle wahrnehmen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren
    Achte insbesondere bei negativen Gefühlen darauf zu sagen: «Ich fühle mich…» anstatt «Ich bin…».
    «Ich bin…» hat grosses Gewicht und lädt dazu ein, sich mit dem Gefühl zu identifizieren. «Ich fühle…» hingegen hat wesentlich stärkeren Beobachtungscharakter und macht es leichter, sich von der Emotion zu distanzieren. Wie klingt «Ich bin minderwertig» im Vergleich zu «Ich fühle mich minderwertig»?

Zu guter Letzt profitieren nicht nur wir selbst von einem gelungenen Emotionsmanagement, sondern auch die Menschen um uns herum. Im bewussten Umgang mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen neigen wir weniger dazu, anderen die Verantwortung für die eigenen Gefühle zuzuschieben. Dies trägt in privaten wie beruflichen Beziehungen zu einem entspannten und harmonischen Miteinander bei. Zudem können wir andere darin unterstützen, emotional herausfordernde Situationen auf gesunde Weise zu durchleben, ihre Gefühle zu verstehen und angemessen zu verarbeiten.

In diesem Sinne: Wie fühlst Du Dich?

Gern unterstütze ich dich darin, dich gut zu spüren und deine Gefühle immer besser wahrzunehmen und zu regulieren. Mehr erfährst du dazu in einem kostenfreien Erstgespräch.

Titelfoto von Alexa

Herz-Hirn-Illustration von Damian Niolet

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